Während die Kinder in der Badewanne saßen, bereitete Yuriko das Essen vor, wobei ihre Aufmerksamkeit auf den Geschehnissen im angrenzenden Bad lag.
Als sie es nun wieder betrat, stellte sie mit einem erleichterten Lächeln fest, dass Aiden sich zumindest wieder über die Grimassen seiner Schwester freuen konnte. Sie hatte sich Badeschaum ins Gesicht geschmiert und Yuriko dachte nicht zum ersten Mal, dass dieser Badezusatz für Kinder, der nicht in den Augen brannte, Gold wert war.
„So ihr zwei, raus aus der Wanne. Ihr seid ja schon ganz schrumpelig. Das Essen ist gleich fertig und nach dem Essen rufen wir Daddy an, hm?“
Freudig sprang Joié auf und riss wiederum die Arme in die Luft. Leider verfehlte ihr Fuß bei der Aktion jedes der kleinen Gummitiere, die dafür sorgten, dass die Kinder auf der nassen Keramikoberfläche nicht ausrutschten. Mit einem Platschen ging das Mädchen unter und sowohl Yuriko als auch Aiden griffen sofort nach ihr, um sie wieder über die Wasseroberfläche zu ziehen.
Hustend und mit zusammen gekniffenen Augen tauchte die Kleine wieder auf, begann zu weinen, schluchzte heftig und hustete wieder. Yuriko hob sie zu sich auf den Arm, achtete nicht darauf, dass ihre Kleidung dabei nass wurde, griff aber sofort nach einem Handtuch, damit ihrer Tochter nicht kalt wurde und wickelte sie hinein. „Ruhig, Jo, ich hab dich und Aiden hat auch geholfen.“
Der Junge stand hinter Yuriko, die sich auf dem Badewannenrand niedergelassen hatte und ihre Tochter auf ihren Schoss sinken ließ.
„Ich hab dir doch schon so oft gesagt, dass du aufpassen sollst, wenn du aus der Wanne aufstehst“, seufzte sie leise und strich Jo übers nasse Haar.
Diese sah sie mit großen Augen an, in denen immer noch Tränen standen.
„Nächstes Mal bist du vorsichtiger, in Ordnung, Süße?“, fragte Yuriko ruhig und strich ihr weiter mit der Hand über den Rücken.
Die Kleine nickte einmal und klammerte sich dann wieder an ihre Mutter.
Mit einer Hand half Yuriko jetzt auch Aiden aus der Wanne und reichte ihm lächelnd ein Handtuch. „Das hast du gut gemacht, Aiden. Trockne dir bitte gut die Füße ab, nicht, dass du auch noch ausrutschst.“
Mit schnellen, routinierten Handgriffen half sie ihrer Tochter dabei, sich abzutrocknen und ihren Pyjama anzuziehen. Als Aiden ebenfalls komplett trocken war, reichte sie auch ihm seinen grünen Dino-Schlafanzug. Er schlüpfte hinein und ließ sich von Yuriko das Haar abtrocknen, wobei er sie ansah.
Joié war bereits aus dem Bad ins Wohnzimmer gelaufen, nachdem ihre Mutter ihr das Haar gekämmt hatte. Jetzt konnten sie die helle Stimme des kleinen Mädchens hören, wie sie mit ihrem Kuschelotter sprach und ihm von dem Unfall in der Badewanne erzählte.
Während Yuriko Aiden mit sanften, kreisenden Bewegungen das Haar trocknete, erwiderte sie seinen Blick und zog fragend eine Augenbraue in die Höhe.
Der Junge atmete einmal tief durch. Er musste offenbar über seinen Schatten springen, um auszusprechen, worüber er nachdachte. „Dad kommt doch ganz bestimmt wieder nach Hause, oder Mum? Oder hat John Recht gehabt?“ Seine Stimme war nicht mehr als ein leises Flüstern.
Bei seiner Frage ließ Yuriko das Handtuch sinken und schüttelte den Kopf. „Glaub mir, Aiden, Dad wird alles dafür tun, um bald wieder hier zu sein. John hat das bestimmt nicht böse gemeint. Er ist doch eigentlich dein Freund, oder?“
Ihr Sohn zog unsicher die Schultern in die Höhe, ließ sich von seiner Mutter noch einmal mit der Hand durchs Haar streichen, bevor er den Kopf wegzog. „Aber Dad hat noch gar nicht angerufen, seit er weg ist. Nur einmal und da hab ich geschlafen. Das ist richtig unfair von ihm!“
Yuriko nickte. Sie wusste, dass ihn das belastete und sah ihn an, während sie vor ihm auf dem Boden kniete, das Handtuch faltete und aufhängte. „Darum versuchen wir heute auch, ihn anzurufen. Damit du auch mit ihm reden kannst, in Ordnung? Aber erst essen wir zu Abend.“
Chiefs Bellen unterbrach sie und Yuriko sah zur offenen Tür hinaus, konnte von hier aus aber nur halb in die Küche sehen. Schon lief Aiden hinaus und sie folgte ihm.
Sowohl der Hund als auch Joié standen vor der großen Terrassentür und sahen hinaus. Chief hatte sein Nackenfell aufgestellt und die Lefzen ein wenig in die Höhe gezogen. Ein leises Knurren entwich seiner Kehle.
„Jo, ist alles in Ordnung?“, fragte Yuriko ihre Tochter, als sie zu den beiden hinüberging und sich neben sie hockte.
Das Mädchen nickte einmal und sah sie an, das Stofftier fest im Arm und offenbar immer noch ein wenig erschrocken von vorhin. „Chief hat gerade das Monster verjagt, das war da schon wieder!“
Aiden, der neben seiner Schwester stand, versuchte angestrengt etwas durch die Scheiben zu erkennen, aber da es draußen schon dunkel wurde und außerdem zu regnen begonnen hatte, war das so gut wie unmöglich.
„Ach, Jo, du hast bestimmt nur eine Katze gesehen. Darum hat Chief auch gebellt. Er mag doch keine Katzen!“, sagte Aiden, als er dem Hund, der sich wieder beruhigt hatte und freudig mit der Rute wedelte, eine Hand auf den Kopf legte. „Können wir jetzt essen? Ich hab Hunger.“
Besorgt sah Yuriko ihre Tochter an und nahm sie in den Arm. „Gleich, Aiden, es ist noch nicht fertig. Tust du mir einen Gefallen und holst dir noch deine Socken von oben, die habe ich vergessen.“
Der Junge maulte leise, folgte der Bitte aber trotzdem.
Wieder wandte Yuriko ihre Aufmerksamkeit Joié zu, die weiter nach draußen sah. „Was hast du denn gesehen, Süße?“
Die weit aufgerissenen Augen sahen ihr entgegen. „Na, das Monster!“, wiederholte sie empört. „Das ist durch den Garten gelaufen und hat mich angeguckt. Und dann hat es so gemacht.“
Joié hob ihre kleine rundliche Hand und legte sich einen Finger vor den Mund, als wolle sie ihre Mutter auffordern, leise zu sein. „Und dann ist Chief gekommen und hat gebellt und das Monster ist in den Wald gelaufen.“
Yuriko nahm ihre Tochter in dem Arm und drückte sie sacht an sich. Sie versuchte sich einzureden, dass es vielleicht nur ein Landstreicher gewesen war, der ihren Garten durchquert hatte. Dennoch dachte sie auch, dass langsam zu viele Zufälle auftraten.
Nicht nur, dass sie sich ständig beobachtet fühlte. Da waren auch noch die Fotos, die sie vor zwei Tagen in einem Briefumschlag vor der Haustür gefunden hatte und die jetzt auf einer der Kommoden in ihrem Kleiderschrank lagen.
Sie spürte, wie sich ihre Nackenhaare aufstellten und warf wieder einen Blick nach draußen. „Aber jetzt ist es ja weg, nicht wahr?“
Sacht strich sie ihrer Kleinen noch einmal über das Haar und lächelte ihr zu. „Sieh mal, wir lassen Chief noch einmal raus, dann kann er das Monster endgültig verjagen, während wir essen und dann rufen wir Dad an.“
Mit einem Griff öffnete sie die Terrassentür und ließ Chief hinaus. Sie schloss die Tür wieder und sah dem Tier gemeinsam mit Joié einen Moment nach, bevor der Timer des Backofens zu piepsen begann.
Mit raschen Schritten lief er durch den Wald, warf immer wieder einen Blick hinter sich, während er mit einer Hand in seiner Tasche herum nestelte, auf der Suche nach dem kleinen Fläschchen darin. Als sich seine Finger endlich darum schlossen, blieb er stehen, direkt unter einem großen Baum.
Er fluchte leise, da er wegen der Wolken, die den Mond verdeckten, nicht viel erkennen konnte, schaffte es aber trotzdem, eine kleine Spritze mit einer Dosis des Narkotikums zu füllen. Schon im nächsten Moment hörte er ein Geräusch, wie Füße, die über nasses Laub liefen und ein leises Schnüffeln, das bald zu einem Knurren wurde.
Mit wenigen sparsamen Bewegungen war er auf den Baum geklettert, hockte auf einem Ast und sah hinunter. Ein schlanker Hundekörper tauchte am Stamm des Baumes auf, die Nase schnüffelnd auf den Boden gerichtet. Nach kurzer Zeit begann der Hund mit den Pfoten über das Laub zu kratzen und leise zu winseln.
Er schloss die Finger fester um den schmalen Zylinder, bereit sich im nächsten Moment fallen zu lassen und dem Tier die Spritze in den Nacken zu jagen, um endlich seine Ruhe zu haben. Er ahnte, für seinen Plan würde das hinderlich sein, aber er wusste sich nicht anders zu helfen.
Als er die tiefe Männerstimme durch das Rauschen der Bäume und den prasselnden Regen hörte, hielt er gerade noch rechtzeitig inne.
„Chief, Junge, was machst du denn hier draußen, bei diesem Wetter?“
Der alte Mann hatte sich seine Kapuze tief in die Stirn gezogen und trat jetzt neben den Hund, strich ihm einmal über den Rücken. Das Tier sah treuherzig zu ihm auf und wedelte leicht mit der Rute. Offensichtlich kannte es den Mann.
Sorgsam darauf bedacht, nicht bemerkt zu werden, zog er sich ein wenig näher an den Stamm zurück, sicher, dass die Blätter und die Dunkelheit ihn im schlimmsten Fall vor den Augen des alten Mannes verbergen würden.
„Na komm, wir gehen nach Hause, nicht, dass wir uns noch einen Schnupfen holen.“
Er spricht mit dem Vieh, wie mit einem kleinen Kind, dachte er verächtlich. Dennoch war er erleichtert, das Narkotikum noch nicht einsetzen zu müssen.
Er nahm sich vor, in Zukunft besser aufzupassen.
Aber es war einfach zu reizvoll gewesen, einen Blick auf die junge Frau zu werfen.
Wenn nur diese Gören nicht wären, dachte er, während er zusah, wie der Mann den Hund am Halsband nahm und mit sich in Richtung der kleinen Häusersiedlung zog.
Kleine Kröten, derer er sich noch irgendwie entledigen würde, wenn die Zeit gekommen war.
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