Kapitel 4
ANDREI
>>Na, Pycano? Wie ist dein Geburtstag so weit?<< Evan Jones, der größte Idiot der amerikanischen Ostküste grinste mir entgegen. Offenbar würde es dieses Jahr doch eine Schlägerei am ersten Schultag geben. Dann fiel mir die Mahnung ein, die meine Eltern erhalten hatten. Wenn ich dieses Schuljahr zu viel auffiel, würde ich die elfte wiederholen müssen. Ich biss die Zähne zusammen um nicht auf ihn loszugehen.>>Oh, bist du zum Zahmen Lämmchen geworden während der Ferien? Oder hast du endlich eine Freundin abgekriegt die dir mal sagt wo’s langgeht? Nein, du hast einfach mal kapiert dass ich der König der Schule bin? Du bist ein noch größerer Versager als ich dich in Erinnerung hatte!<< All das ließ ich über mich ergehen, während die Wut sich in mir anstaute. Das Gefühl von Macht wurde grösser. Ich hatte es schon bemerkt seit drei Wochen, Deshalb hatte ich normalerweise Konflikt direkt beendet. Doch jetzt war es zu spät. Ich fühlte mich als ob ich auseinandergerissen wurde. Schreiend krümmte ich mich zusammen. Der Schmerz wurde schlimmer und schlimmer. Plötzlich war er weg, nur das Gefühl von unbegrenzter Macht blieb. Ungläubig starrte ich auf meine Finger. Schwarze Fäden webten sich zwischen ihnen, ständig in Bewegung. Es war wunderschon und furchteinflößend zugleich. Dann sah ich auf. Evan stand immer noch da, siegessicher grinsend als ob er meine Schmerzen gar nicht mitbekommen hätte. Meine Sicht veränderte sich. Sie wurde schärfer und mein Fokus lag nun auf Evan. Ohne dass ich es wollte, stießen meine Hände vor und berührten ihn an der Brust, direkt über dem Herzen. Die Fäden wurden länger und woben sich über und um Evans Körper. Er war wie erstarrt. Als ich ihn losließ, zogen die Faden sich enger um seinen Hals. Noch immer reagierte er nicht. Auch nicht, als die Fäden so eng waren, dass sie ihn in den Hals schnitten. Wie im Traum sah ich mich um. Alle um mich herum waren erstarrt. Der umkippende Milchshake des einen Mädchens war ebenfalls erstarrt. Als ich mich wieder umdrehte, war Evan verschwunden. Dort, wo er gestanden hatte, war nur noch Sand. Das alles ging an mir vorbei wie im Traum. Völlig unbeteiligt und komplett unberührt verarbeitete mein Gehirn, was gerade passiert war. Ich hatte jemanden getötet. Ich, Andrei Pycano, hatte Evan Jones umgebracht.
Und ich fühlte mich gut.
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